Also arbeitete ich 3 Tage in der Woche in einem Café und 2 Tage in der Woche in der Schreinerei meines Onkels, am Wochenende fuhr ich für einen lächerlichen Stundenlohn in unserem Ort Pizza aus und als der Winter kam bediente ich die gesamte Weihnachtsmarkt-Saison in einem Glühweinstand. Irgendwie musste ich die knapp 6000€ für meine Kamera, einen geeigneten Computer, all das Zubehör und ein gutes Bildbearbeitungsprogramm zusammen bekommen.
Mein Antrieb war wohl die stärkste Kraft des Universums – mein Herz. Bis vor ein paar Monaten waren es immer die Ziele, die andere Menschen, die Ziele, die die Gesellschaft mir setzten: gute Noten und der Abschluss. Denn laut Gesellschaft bist du ein erfolgreicher Mensch, wenn du viel leistest, gutes Geld verdienst, gute Noten schreibst und der Norm der Gesellschaft entsprichst – Spoiler: Mittlerweile stelle ich diese These immer mehr in Frage. Doch das ist es was wir von Kindertagen in der Schule beigebracht bekommen.
Nachdem ich endlich genügend Geld zusammen hatte, um mir ein anständiges Equipment zuzulegen, begann ich eigene Shootings anzubieten, fotografierte alles, was ich vor die Kamera bekommen konnte und Jeden, aus dem ich auch nur ansatzweise eine Emotion locken konnte. Meine gesamte Familie und alle Freunde durften als Versuchsobjekt herhalten – und was soll ich sagen „Übung mach den Meister“ kommt nicht von ungefähr.
Im Sommer 2016 durfte ich die Hochzeit meiner ehemaligen Gesangslehrerin begleiten und ja, das war meine erste ganz eigene Hochzeit. Alle Verantwortung lag bei mir, doch so auch der gesamte Spaß. Ich unterschätzte die anfallende Arbeit nach der Hochzeit, mit der Bearbeitung, extrem, aber ich wollte schließlich üben und so sah ich es als Lehre und nicht als Einkommen. Noch heute schaue ich ziemlich stolz auf diese Hochzeit zurück.
In der Zwischenzeit und neben all dem Fotokram bewarb ich mich an der Kunsthochschule, stellte eine Mappe zusammen, trainierte für die Aufnahme in das Sportstudium und hoffte, dass das alles so funktionieren würde – denn einen Plan B gab es nie.
Mit dem Einbruch des Herbst 2016 wurde ich dann leider ziemlich knapp per SMS im Café gekündigt. Über ein Jahr ging ich dort täglich ein und aus und die Fotografin, bei der ich mein Praktikum machte, befand sich im selben Haus. Ich beschloss also mein Praktikum auch zu beenden, da ich hier einfach keine gute Arbeitsgrundlage mehr sah.
Auch wenn ich das damals als extrem ungerecht empfand und gar nicht wusste wie es weiter gehen sollte, war dies wieder das Beste, was passieren konnte und so bin ich dafür heute sehr dankbar.
Ich begann mein Studium, arbeitete jede freie Minute in der Schreinerei meines Onkels, baute Holzgetreidemühlen und am Wochenende fuhr ich wieder Pizza aus. Denn an Geld verdienen mit Fotos war noch nicht zu denken. Rückblickend betrachtet fehlte mir hier einfach noch der Mut.
Da ich in dem Café nur auf Rechnung arbeiten durfte, hatte ich im Vorjahr bereits ein Gewerbe angemeldet, welches ich mit Beginn des Frühlings 2017 und den ersten Semesterferien nun auf ein Fotografiegewerbe umschreiben ließ und mich endlich traute, als Fotografin in die Welt zu treten.
Ich startete voll in die Hochzeitsfotografie und fotografierte in den Jahren 2017-2019 über 40 Hochzeiten. Ich liebte und liebe diese Arbeit immer noch, doch es stellte sich in dieser Zeit schnell heraus, dass ich mir ein unglaublich ungesundes Arbeitspensum aufgeladen hatte und mein Körper ließ mich dies in jeder Faser spüren.
2018 nahm ich zum ersten Mal meine eigene Praktikantin mit auf die Reise, die liebe Vivi ist mittlerweile auch selbstständig und hat sich auf Boduire und Hochzeiten spezialisiert. Hier konnte ich zum ersten Mal schnuppern, wie es sich anfühlt, anderen Menschen etwas beizubringen und ich muss sagen – ich liebe es!
Und dann kam Corona.
2020 ein Jahr voller Stille und Transformation. Neben einer einschneidenden privaten Veränderung brachte dieses Jahr so viel Veränderung in mein Berufsleben. Irgendjemand hatte das Hamsterrad angehalten und alle gebeten, nun auszusteigen. Fast alle Hochzeiten wurden abgesagt, meine Ersparnisse schnurzelten immer mehr in sich zusammen und die Frage nach dem Sinn des Lebens öffnete sich vor mir. Eine Frage, über die ich mir all die Jahre keine Gedanken gemacht habe. Dafür war doch gar keine Zeit und alle anderen wussten doch sowieso schon, was das Beste für mich ist. Zum vielleicht ersten Mal in meinem Leben sah ich mit einem erwachenden Blick auf die letzten 25 Jahre zurück, auf meine Erziehung, meine Kindertage, meine Schulzeit, meine Jugend, mein Studium und ja so auch auf all die Jahre meiner Selbstständigkeit. Uff… ganz schön krass. Ich war so sehr damit beschäftigt zu machen, dass ich all das nie wirklich reflektiert habe.
„Warum bin ich eigentlich auf dieser Erde?“
„Was ist meine Aufgabe hier?“
„Bin ich Glücklich, was macht mich glücklich, was macht mich unglücklich?“
„Was löst Stress in mir aus und was Zufriedenheit?“
Heute ist der 27.01.2021 und die Welt steh immer noch still. Naja nur sinnbildlich, es passiert natürlich weiterhin viel auf der Welt – aber meine Welt steht still.
Ich habe Antworten auf meine Fragen gefunden und suche immer weiter nach neuen Fragen und Antworten. Das ist es, was mich gerade glücklich macht.
Im letzten Jahr habe ich meine absolute Liebe zur Familien-Fotografie entdeckt. Es sind fast alle Hochzeiten ausgefallen und so hatte ich Zeit, Zeit die neu genutzt werden wollte. Ich habe mich verliebt in die kleinen Mäuse die hinfallen, aufstehen, weiter laufen und immer lachen, in die Omis und Opis, die beim Familienshooting lustige Geschichten von früher auspacken, in die (werdenden) Eltern die voller Zuversicht, Hoffnung und Vorfreude ihr kleines Wunder erwarten oder betrachten. Um nun also zu den Fragen zurück zu kommen… Ihr macht mich glücklich und meine Aufgabe ist es euch glücklich zu machen.
Meine Aufgabe auf dieser Welt ist es glücklich zu sein, mein Glück, mein Licht und das, was ich an Können mitbringe mit der Welt zu teilen, auf mich Acht zu geben und mich immer wieder neu zu reflektieren. Gerade bin ich glücklich und dankbar für alles was ich habe, dafür dass die Welt so viele Türen offenhält, für die Menschen um mich herum, für euch und auch, dass ich mich habe und selbst wählen kann, welchen Weg ich gehe.
Ich bin so unglaublich gespannt was mich auf dieser Welt noch erwartet, welche Hürden es zu überwinden gibt, über welchen Schatten ich noch springen darf und darauf, so viele von euch kennen zu lernen.